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Die Bielefeld Verschwörung vor Gericht

https://www.justiz.nrw/nrwe/lgs/bielefeld/lg_bielefeld/j2023/1_O_181_22_Urteil_20230714.html

Landgericht Bielefeld, 1 O 181/22

Datum:

14.07.2023

Gericht:

Landgericht Bielefeld

Spruchkörper:

1. Zivilkammer

Entscheidungsart:

Urteil

Aktenzeichen:

1 O 181/22

ECLI:

ECLI:DE:LGBI:2023:0714.1O181.22.00

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

1

 Betrages.2

Tatbestand:3

Die Beklagte betreibt für die Stadt Bielefeld Marketing.4

Zum 25. Jubiläum der Veröffentlichung der sogenannten „Bielefeld-Verschwörung“ im Jahr 1994 lobte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1 Mio. EUR aus, für den Beweis, dass es Bielefeld nicht gibt.5

Am 21.08.2019 wurde der Wettbewerb in einer Pressemitteilung beworben mit dem Text:6

„Ein Preisgeld von einer Million Euro gibt es aktuell für die Person, die beweisen kann, dass es Bielefeld gar nicht gibt.7

Echt jetzt? Hinter diesem Aufruf steckt die Stadt sogar selbst. Echt jetzt! Der Wettbewerb heißt „Die #Bielefeldmillion – Das Ende einer Verschwörung“ und steigt im Jubiläumsjahr des Spruchs „Bielefeld gibt es doch gar nicht!“. Dieser Satz gehört zur angeblichen „Bielefeld-Verschwörung“, die vor 25 Jahren vom Kieler Achim Held erstmals im Internet veröffentlicht wurde. […] Martin Knabenreich, Geschäftsführer von Bielefeld Marketing, sagt: „Wir haben große Lust, gemeinsam mit den Menschen in der Stadt den Spieß einmal umzudrehen und mit der ‚Bielefeld-Verschwörung‘ unseren Spaß zu haben.“8

[…]9

Der Schöpfer der Verschwörung, Achim Held, unterstützt die Aktion. „Ich finde die Idee des Wettbewerbs wirklich lustig“, sagt Held. „Die Stadt zeigt damit, dass sie humorvoll mit der Bielefeld-Verschwörung umgeht. Jetzt bin ich auch sehr gespannt auf die Reaktionen. Gegen Bielefeld hatte ich übrigens nie etwas: der Text entstand 1994 als Satire auf abstruse Verschwörungstheorien im Internet. Ich hätte niemals gedacht, was einmal daraus werden könnte.“10

Teilnehmen am Wettbewerb darf jeder.11

Beweisen, dass es Bielefeld gar nicht gibt? Um diese Aufgabe ist niemand zu beneiden. Zweifel an der Existenz der Stadt und ihrer 340.000 Einwohner wären wohl Nahrung für ökonomische Albträume. Bielefeld ist Zentrum einer der stärksten Wirtschaftsregionen Deutschlands, geprägt durch Familienunternehmen, weltbekannte Marken und „Hidden Champions“. In den vergangenen zehn Jahren stieg die jährliche Bruttowertschöpfung in Bielefeld um 24 Prozent (12,8 Milliarden Euro) und die Zahl der versicherungspflichtigen Jobs um 20 Prozent (158.000). Und wenn all die Wachstumszahlen nur Illusion ist, wie erklärt man das den 38.000 Studierenden (plus 54 Prozent seit 2009), die hier den Grundstein für ihren beruflichen Lebensweg legen?12

Wobei es vielleicht doch einen Recherche-Ansatz gibt: Angeblich ist Bielefeld eine der grünsten Großstädte Deutschlands. Die Einwohner bewerten die Lebensqualität in der Stadt überdurchschnittlich hoch. Der Teutoburger Wald liegt vor der Haustür. Die Bielefelder können durch 4.800 Hektar Wald und über 762 Kilometer Wanderwege wandeln – ohne das Stadtgebiet zu verlassen.13

Doch alles zu schön, um wahr zu sein?14

Was passiert, wenn niemand die #Bielefeldmillion gewinnt? Zwei Wochen lang können Beweise für die Nicht-Existenz Bielefelds eingereicht werden. Alle Infos zum Wettbewerb unter: www.bielefeldmillion.de „Wenn niemand widerlegen kann, dass es uns gibt, ist die Sache ja klar: Dann werden wir uns von der Bielefeld-Verschwörung verabschieden – und zwar in aller Form und gemeinsam mit ihrem Schöpfer, Achim Held“, kündigt Martin Knabenreich an. „Wie diese offizielle Zeremonie aussehen wird, wollen wir aber noch nicht verraten“, ergänzt der Stadtmarketing-Chef „Schließlich wollen wir niemanden den Spaß verderben. Man könnte immerhin eine Million Euro gewinnen. Klingt doch zu schön, um nicht wahr zu sein.“15

[…]“16

Über soziale Medien und den Internetauftritt der Beklagten wurde gleichzeitig folgender Text veröffentlicht:17

„Die #Bielefeldmillion Alles Wissenswerte zum Wettbewerb18

1994 schrieb Achim Held, […] scherzeshalber seine Gedanken zur vermeintlichen Nicht-Existenz Bielefelds nieder und veröffentlichte sie im Usenet. Die Verschwörungstheorie nahm Fahrt auf und begann die deutsche Bevölkerung glauben zu machen, es gäbe Bielefeld nicht. Der Spruch „Bielefeld? Das gibt’s doch gar nicht“ war geboren, so gut wie in aller Munde und hielt sich hartnäckig – 25 Jahre.19

Wir dachten uns, dass das Jubiläum ein netter Anlass ist, um jetzt mal Butter bei die Fische der Bielefeld-Verschwörung zu machen. Deswegen fordern wir alle geistigen Überflieger dieses Landes dazu auf, uns zu beweisen, dass es Bielefeld wirklich nicht gibt. Der Preis für den ultimativen Beweis: 1 Million Euro.20

Wie du belegen kannst, dass es Bielefeld nicht gibt? Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Ob Bilder, Videos oder Texte – jegliche Art von Beitrag ist erlaubt, nur unumstößlich müssen die Perlen deiner Weisheit sein, um die #Bielefeldmillion zu gewinnen.21

Mehr Infos zum Wettbewerb gibt’s in unseren FAQs und den Teilnahmebedingungen. […]“22

Verlinkt waren dabei FAQs mit folgendem Text:23

„Du hast Fragen? Wir liefern Antworten.24

Meint ihr das wirklich ernst?25

Ja, echt jetzt! Wir meinen das ernst.26

Was?! Wie jetzt?27

Na, du musst uns nur einen handfesten und unwiderlegbaren Beweis dafür liefern, dass die Stadt Bielefeld nicht existiert. Und für eine Million Euro darf man ja wohl ein bisschen erwarten, oder? Sollte uns tatsächlich jemand den ultimativen Beweis für die Bielefeld-Verschwörung liefern, werden wir Bielefelder uns auf ewig mit „unserer Nichtexistenz“ abfinden. Ehrenwort! Weitere Details zum Wettbewerb kannst du in unseren Teilnahmebedingungen nachlesen.28

[…]29

Und was soll das Ganze?30

Seit 25 Jahren geistert die Bielefeld-Verschwörung durch das Internet und die Köpfe der Menschen. Zum „Silber-Jubiläum“ sagten wir Bielefeld: Ok, jetzt haben wir mal unseren Spaß! Beweist uns doch mal, was hinter den Sprüchen steckt! Was wir von euch verlangen, ist eine ganz schöne Herausforderung. Ihr müsstet immerhin mal eben so das Zentrum einer der stärksten Wirtschaftsregionen Deutschlands „verschwinden“ lassen. Ein volkswirtschaftlicher Albtraum! Außerdem wächst Bielefeld seit Jahren. Schafft ihr es wirklich, so vielen Fachkräften und angehenden Studierenden, die Jahr für Jahr nach Bielefeld ziehen, die Lebenspläne zu vereiteln? Wobei, vielleicht gibt es doch einen Recherche-Ansatz: Direkt am grünen Teutoburger Wald ist die Lebensqualität tatsächlich fast „zu gut, um wahr zu sein“. Das erste Glied in eurer Indizienkette? Wir sind gespannt.31

Wer steckt hinter diesem Wettbewerb?32

Münster. Nein, das war jetzt wirklich ein Scherz. Unsere liebe Nachbarstadt hat damit nichts zu tun. Diesen Wettbewerb hat die Bielefeld Marketing GmbH zusammen mit der Stadt Bielefeld gestartet.33

[…]34

Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Darf ich trotzdem mitmachen?35

Natürlich! Ob analytischer Denker oder kreativer Geist, alt oder jung, Einzelperson oder Schulklasse – du darfst teilnehmen. Ausgeschlossen sind nur Mitarbeiter von Bielefeld Marketing und der Stadt Bielefeld. Das ist erstens so üblich für Ausrichter eines Wettbewerbs. Und zweitens kann allein der Versuch eines Beweises Grund für eine dienstliche Standpauke sein. Nicht mitmachen dürfen außerdem Mitarbeiter von Geheimdiensten, Mitglieder der Illuminati und Achim Held, der Erfinder der Verschwörung (Achim, du hattest deinen Spaß!) Weitere Details stehen in unseren Teilnahmebedingungen.36

Okay, ich mache mit. Wie muss mein Beweis aussehen?37

Wir setzen auf eure Kreativität und freuen uns auf Beweise in jeglicher Form. Texte, Bilder und Videos sind zugelassen und können mit dem Betreff Bielefeldmillion an folgende E-Mail-Adresse versendet werden: kommunikation@bielefeld-marketing.de. Die Echsenmenschen aus dem Inneren der Erde haben dich angerufen und du hast es auf Band? Du hast die Landung eines Ufos in Bielefeld-Baumheide fotografiert? Kondensstreifen am Himmel haben dir eine geheime Botschaft zukommen lassen? Du hast da mal was auf Facebook gelesen? Zeig uns deine Beweise.38

Wie geht’s dann weiter?39

Wie schon gesagt: Eine Million Euro gibt’s nicht so leicht. Wir prüfen jede Einsendung auf Herz und Nieren. In Bielefeld gibt es nicht eine Universität, sondern gleich sechs Fachhochschulen. Wir finden für jedes Argumentationsmuster einen Experten, der euren vermeintlichen Beweis in die Zange nimmt. Aber natürlich wollen wir Kreativität und Witz auch belohnen: Die besten Einsendungen stellen wir der Öffentlichkeit regelmäßig vor.40

[…]“41

Ebenfalls verlinkt waren die Teilnahmebedingungen mit folgendem Text:42

„Mit der Teilnahme am Wettbewerb akzeptiert der Teilnehmer folgende Teilnahmebedingungen:43

[…]44

4. Teilnahme45

Der Teilnehmer muss die Nichtexistenz der Stadt Bielefeld beweisen. Hierzu ist eine erschöpfende Beweisführung erforderlich, die durch nichts und niemanden zu erschüttern ist. Potentielle Beweise, müssen per E-Mail an kommunikation@bielefeldmarketing.de eingereicht werden. Sie dürfen nicht gegen Rechte Dritter (z.B. Urheberrechte) verstoßen. Gleichzeitig muss der Teilnehmer seine E-Mail-Adresse angeben, damit wir ihn über die Belohnung informieren können. Diese Kontaktdaten benötigen wir außerdem, um ihn über eine mögliche Veröffentlichung der eingereichten potentiellen Beweise in Kenntnis zu setzen. Zu einer Veröffentlichung der Einsendungen sind wir indessen nicht verpflichtet.46

Die Beweisführung wird durch ein dreiköpfiges Gremium geprüft, das von der Bielefeld Marketing GmbH ausgewählt wird. Dieses entscheidet abschließend und verbindlich. Sollte es jemandem gelingen die Nichtexistenz zu beweisen, benachrichtigen wir schriftlich nach Beendigung der Auslobung. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der Teilnehmer, dem es als Erster gelingt, die Nichtexistenz der Stadt Bielefeld zu beweisen, wird mit 1.000.000,00 Euro belohnt. Bei gleichzeitiger Vornahme mehrerer Teilnehmer ist die Belohnung aufzuteilen. Die Belohnung ist nicht auf andere Personen übertragbar.47

6. Teilnahmezeitraum48

Der Wettbewerb endet am 4. September 2019 um 24.00 Uhr.49

7. Einverständnis zur Namensnennung50

Mit der Teilnahme erklärt sich der Teilnehmer damit einverstanden, namentlich genannt zu werden, wenn wir über besonders kreative Einsendungen auf Kommunikationskanälen der Bielefeld Marketing GmbH (Website, Facebook- und Instagram-Profil) berichten.51

[…]“52

Der Kläger übersandte der Beklagten am 30.8.2019 folgenden Text zur Teilnahme an der Auslobung:53

„Beweis der Nichtexistenz Bielefelds54

Erläuterung55

Nach meiner Einschätzung ist der untenstehende Beweis innerhalb des gewählten und beschriebenen axiomatischen Systems korrekt. Damit ließe sich der Beweis auch nicht wiederlegen, bzw. nur außerhalb des gewählten axiomatischen Systems wiederlegen. Eine Widerlegung des Axioms ist innerhalb des gewählten Systems ebenfalls nicht möglich, es wird als Grundlage ohne Begründung oder deduktive Herleitung gewählt, siehe z.B. https://de.wikipedia.orgwiki/Axiom.56

Axiom57

Menschen treffen keine Falschaussage, wenn die Wahrheit offenkundig ist.58

Beweis Satz 1: Die Existenz oder Nicht-Existenz einer Stadt ist offenkundig.59

Beweis: Das statistische Bundesamt pflegt z.B. ein offizielles Gemeindeverzeichnis […].60

Hauptsatz: Die Stadt Bielefeld existiert nicht.61

Beweis: Wir nehmen an, die Stadt Bielefeld würde doch existieren. Dann wäre die zentrale Aussage der Bielefeld-Verschwörung „Bielefeld? Das gibt’s doch gar nicht“ falsch. Wir nennen diejenigen Menschen, welche diese Falschaussage mindestens einmal im öffentlichen Raum getroffen haben „BI-Vs“: Die Menge der BI-Vs ist nicht leer, sie enthält mindestens den Begründer der Verschwörung, Herrn Achim Held. Nach Satz 1 wäre die Existenz von Bielefeld für alle BI-Vs offenkundig. Dieses steht im Widerspruch zu Axiom 1. Dieser Widerspruch zeigt, dass die Annahme, die Stadt Bielefeld würde doch existieren, falsch war, also die Behauptung des Hauptsatzes richtig ist; was zu beweisen war.“62

Die Beklagte teilte zuletzt mit Email vom 27.9.2019 mit, dass sie den Beweis nicht als geführt ansehe.63

Der Kläger behauptet, den geforderten Beweis geführt zu haben. Der Begriff Beweis sei definiert und der axiomatische Beweis falle darunter. Die Beklagte habe insofern in ihrer Auslobung keine Einschränkungen gemacht. Da die Existenz der Stadt Bielefeld sinnlich wahrnehmbar für jedermann erkennbar sei, sei ein außerhalb der sinnlichen Wahrnehmung liegender theoretischer abstrakter Beweis gefragt gewesen. Erkenntnistheoretisch sei Sinneswahrnehmung eine Übereinkunft und nicht in jedem Fall der Weg zur unbestreitbaren Feststellung von Wirklichkeit. Es könne also gerade nicht ohne Weiteres aufgrund entsprechender Sinneswahrnehmung davon ausgegangen werden, dass von der Sinneswahrnehmung Abweichendes nicht beweisbar sei. Sein Beweis sei innerhalb des gewählten axiomatischen Systems nicht widerlegbar.64

Der Kläger beantragt:65

1.66

Die Beklagte wird verurteilt, 1 Mio. Euro an den Kläger nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.67

2.68

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 8.436,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.69

Der Kläger beantragt „hilfsweise“ für den Fall, dass die Entscheidung über den Wettbewerbsbeitrag des Klägers nicht ordnungsgemäß ergangen ist:70

Die Beklagte wird verurteilt, durch ein von ihr auszuwählendes Gremium von drei Mitgliedern die Beweisführung des Klägers im Rahmen der Auslobung des Wettbewerbes zum Beweis der Nichtexistenz der Stadt Bielefeld zugunsten des Klägers zu treffen.71

Der Kläger beantragt weiter hilfsweise:72

Die Beklagte wird verurteilt, durch ein von ihr auszuwählendes Gremium von drei Mitgliedern die Beweisführung des Klägers im Rahmen der Auslobung des Wettbewerbes zum Beweis der Nichtexistenz der Stadt Bielefeld unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse nach Maßgabe der Auslobungsbedingungen zu treffen.73

Die Beklagte beantragt,74

die Klage abzuweisen.75

Für den Sach- und Streitstand im Einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.76

Entscheidungsgründe:77

Die zulässige Klage ist unbegründet.78

I.79

Dem Kläger steht ein Anspruch auf die ausgelobte Belohnung in Höhe von 1 Mio. EUR nicht zu, § 657 BGB.80

Den erforderlichen Erfolg im Sinne der Teilnahmebedingungen hat der Kläger nicht herbeigeführt.81

1.82

Es handelte sich nach dem objektiven Empfängerhorizont aller zur Auslobung veröffentlichten Texte, wie auch der Teilnahmebedingungen, um eine scherzhafte Marketingaktion.83

Der erforderliche Erfolg wäre, nach dem objektiven Empfängerhorizont nur der offensichtlich unmögliche empirische Beweis der Nichtexistenz Bielefelds gewesen. Der axiomatische Beweis innerhalb seines axiomatischen Systems war nicht erfasst.84

Im Rahmen einer dem Bestreben nach humorvollen Marketingaktion wurden in den zu der Aktion veröffentlichten Texten kreative Beweisversuche gefordert, welche zu weiteren Marketingzwecken veröffentlicht werden konnten.85

Bereits der Zusammenhang mit der „Bielefeld-Verschwörung“ verdeutlichte, dass es sich nicht um eine ernsthafte Auslobung handelte. Es handelte sich schließlich nicht tatsächlich um eine sogenannte Verschwörungstheorie, sondern um einen satirischen Text, der mit der offensichtlich abwegigen Behauptung, die unfraglich existente Stadt Bielefeld existiere in Wirklichkeit nicht und ihre Existenz sei eine Verschwörung, sogenannte Verschwörungstheorien ins lächerliche zog.86

Die humoristische und dem Marketing dienende Ausrichtung der Auslobung war auch daran bereits deutlich zu erkennen, dass in der Pressemitteilung der Geschäftsführer der Beklagten damit zitiert wurde, den Spieß umzudrehen und gemeinsam mit den Bielefeldern nunmehr mit der „Bielefeld-Verschwörung“ Spaß zu haben. Auch der Autor der „Bielefeld-Verschwörung“ verdeutlichte mit seiner Äußerung in der Pressemitteilung, dass der Wettbewerb zeige, dass Bielefeld humorvoll mit der „Bielefeld-Verschwörung“ umgehe und er gespannt auf die Einsendungen sei, dass es sich allenfalls um eine kreative, künstlerische oder humorvolle Aktion und nicht um die Suche nach einem ernsthaften Beweis handelte.87

Dies zeigte sich auch, wenn ausgeführt wurde wer neben den Mitarbeitern der Beklagten und der Stadt Bielefeld am Wettbewerb nicht teilnehmen dürfe: „…Mitarbeiter von Geheimdiensten, Mitglieder der Illuminati und Achim Held, der Erfinder der Verschwörung (Achim, du hattest deinen Spaß!)…“. Und auch die beispielhaft angeführten Beweise verdeutlichten die Ausrichtung des Wettbewerbs auf das humoristische, wenn es hieß: „Die Echsenmenschen aus dem Inneren der Erde haben dich angerufen und du hast es auf Band? Du hast die Landung eines Ufos in Bielefeld-Baumheide fotografiert? Kondensstreifen am Himmel haben dir eine geheime Botschaft zukommen lassen? Du hast da mal was auf Facebook gelesen? Zeig uns deine Beweise.“.88

Dass es sich um eine scherzhafte Auslobung handelte bei welcher von vorherein feststand, dass der geforderte Beweis nicht geführt werden könnte, verdeutlicht auch die Verwendung des Ausspruchs „Klingt doch zu schön, um nicht wahr zu sein“ der in seiner Verkehrung des bekannten Ausspruchs „zu schön um wahr zu sein“ gerade auf diesen Ausspruch und seine Aussage verwies.89

Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Formulierungen wie „Wenn niemand widerlegen kann, dass es uns gibt…“ und „…werden wir Bielefelder uns auf ewig mit ‚unserer Nichtexistenz‘ abfinden. Ehrenwort!“, die deutlich von der unfraglichen Existenz Bielefelds ausgehen und damit das Ergebnis der angeblichen Auslobung bereits als gegeben voraussetzten.90

Die insbesondere in der Pressemitteilung aber auch in den übrigen Texten auftauchenden aber für eine Auslobung überflüssigen Mitteilungen zu Größe, Wirtschaftskraft, Lebensqualität und Studentenanzahl von Bielefeld verdeutlichten ebenfalls, dass es sich insbesondere um eine Marketingaktion handelte.91

Der Charakter als humoristische Marketingaktion zeigte sich auch deutlich darin, dass regelmäßig die besten Einsendungen veröffentlicht werden sollten. Wenn es um die Suche nach einem für möglich erachteten Beweis gegangen wäre, hätte dessen Veröffentlichung im Fokus gestanden. Bei den besten Einsendungen handelte es sich jedoch wiederum offensichtlich um solche, die ihre Güte nicht dadurch erlangen sollten, dass sie einen besonders zutreffenden Nachweis der Nichtexistenz Bielefelds enthielten, sondern dadurch, dass sie sich durch besondere Kreativität und Humor auszeichneten.92

Soweit die Bedingungen „Beweise in jeglicher Form“ benennen, ergibt der Kontext, dass dies sich auf die äußere Form bezieht, wenn dem vorgeht „wir freuen uns auf eure Kreativität“ und anschließend angegeben wird „Texte, Bilder und Videos sind zugelassen“. Dass auch der axiomatische Beweis innerhalb seines axiomatischen Systems erfasst sein sollte, ergibt sich daraus nicht.93

Das wird auch deutlich, wenn von unumstößlichen Perlen der Weisheit, einem handfesten und unwiderlegbaren Beweis und einer erschöpfenden Beweisführung, die durch nichts und niemanden zu erschüttern ist, geschrieben wird. Der axiomatische Beweis ist gerade nur innerhalb des jeweiligen axiomatischen Systems gültig und darüber hinaus weder unumstößlich noch erschöpfend. Das zeigt auch der Kläger, wenn er immer nur angibt den erforderlichen Beweis innerhalb des gewählten axiomatischen Systems geführt zu haben. Er selbst gibt an, dass der Beweis außerhalb des gewählten axiomatischen Systems widerlegbar sei.94

Die erforderliche Einschränkung, des Verbleibs innerhalb des gewählten axiomatischen Systems, hat der Kläger jedoch entgegen der Beklagten gesetzt, ausgehend von dem von der Beklagten gewählten Begriff „Beweis“. Nur wenn dieser Begriff so verstanden wird, dass er den axiomatischen Beweis erfasst, lässt sich die geforderte Bedingung der Beklagten so auslegen, wie es der Kläger wünscht. Ein solches Verständnis lässt sich bei dem objektiven Empfängerhorizont der allgemeinen Bevölkerung aber gerade nicht voraussetzen. Die klägerseits angeführte Definition des Begriffes „Beweis“ ist gerade keine allgemeinsprachlich zwingend gültige. An die allgemeine Bevölkerung aber, und nicht ausschließlich ein wissenschaftliches Publikum, richteten sich die Äußerungen der Beklagten.95

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte jeden eingereichten Beweis von Experten prüfen lassen wollte und darauf Bezug nahm, dass es in Bielefeld nicht nur eine Universität, sondern gleich sechs Fachhochschulen gebe. Im Kontext der Auslobung handelt es sich auch hierbei um eine offensichtlich humorvoll gemeinte Übertreibung und nicht um einen Hinweis darauf, dass der tatsächlich mögliche axiomatische Beweis innerhalb seines Systems als ausreichend erachtet werden sollte.96

Auch aus der Tatsache, dass die Stadt Bielefeld fraglos existiert aber die sinnliche Wahrnehmung des Menschen nicht zwingend unmittelbar zur Feststellung entsprechender Wirklichkeit führen muss, ergibt sich nicht, dass deshalb ein theoretischer Beweis gesucht gewesen sein müsse. Daraus ergibt sich lediglich, dass ein von der sinnlichen Wahrnehmung abweichender Beweis möglich ist. Dass aber gerade kein möglicher Beweis, sondern all die unmöglichen besonders kreativen und humorvollen Pseudo-Beweise gesucht waren, ist oben bereits dargelegt.97

2.98

Außerhalb des gewählten axiomatischen Systems lässt sich der Beweis des Klägers jedoch widerlegen, sodass er den Erfolg eines unwiderleglichen Beweises der Nichtexistenz Bielefelds nicht herbeigeführt hat.99

Dass die Stadt Bielefeld existiert ist eine offenkundige Tatsache und bedarf keines Beweises (im Sinne der ZPO), § 291 ZPO.100

II.101

Über die „hilfsweise“ gestellten Anträge war nicht zu entscheiden.102

Diese waren gebunden an die Feststellung einer alternativen Tatsachenbehauptung, welche aber auch der Kläger selbst nicht tatsächlich aufgestellt hat. Er hielt die Tatsache, dass die Beklagte eine Entscheidung über den Wettbewerbsbeitrag des Klägers nicht nach dem erforderlichen Verfahren ordnungsgemäß getroffen hatte lediglich für möglich. Auf den Hinweis des Gerichts, dass insofern nicht substantiiert vorgetragen sei, äußerte sich der Kläger jedoch weiter nicht.103

III.104

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.105

Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

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